Nobelpreis für Glykobiologie

1999 wurde Günter Blogel für seine medizinische Forschung im Bereich der Glykobiologie mit einem Nobelpreis ausgezeichnet. Dies ist die Pressemitteilung des Nobelpreis-Kommitees. In dieser Entdeckung wird hauptsächlich auf ein „intrinisches Signal“ innerhalb der Zelle eingegangen, jedoch nicht auf die Wichtigkeit von Glykonährstoffen (bzw. Glykanen) in dieser Rolle.

Günter Blobel

für die Entdeckung, dass „Proteine intrinsische Signale haben, die ihren Transport und ihre Lokalisierung in der Zelle steuern

Zusammenfassung

In unseren Zellen wird ständig eine große Anzahl von Proteinen hergestellt, die wesentliche Funktionen erfüllen. Diese Proteine müssen entweder aus der Zelle oder in die verschiedenen Kompartimente – die Organellen – innerhalb der Zelle transportiert werden. Wie werden neu hergestellte Proteine über die die Organellen umgebende Membran transportiert und wie werden sie an ihren richtigen Ort geleitet?

Diese Fragen wurden durch die Arbeit des diesjährigen Nobelpreisträgers für Physiologie oder Medizin, Dr. Günter Blobel, Zell- und Molekularbiologe an der Rockefeller University in New York, beantwortet. Bereits Anfang der 1970er Jahre entdeckte er, dass neu synthetisierte Proteine ein intrinsisches Signal haben, das für die Steuerung zur und über die Membran des endoplasmatischen Retikulums, einer der Organellen der Zelle, wesentlich ist. In den nächsten zwanzig Jahren charakterisierte Blobel detailliert die molekularen Mechanismen, die diesen Prozessen zugrunde liegen. Er zeigte auch, dass ähnliche „Adressmarken“ oder „Postleitzahlen“ Proteine zu anderen intrazellulären Organellen leiten.

Die von Günter Blobel entdeckten und beschriebenen Prinzipien erwiesen sich als universell und funktionierten ähnlich in Hefe-, Pflanzen- und Tierzellen. Eine Reihe menschlicher Erbkrankheiten wird durch Fehler in diesen Signalen und Transportmechanismen verursacht. Die Forschung von Blobel hat auch zur Entwicklung einer effektiveren Nutzung von Zellen als „Proteinfabriken“ für die Herstellung wichtiger Medikamente beigetragen.

Verschiedene wichtige Funktionen

Ein erwachsener Mensch besteht aus ungefähr 100.000 Milliarden Zellen. Eine Zelle enthält viele verschiedene Kompartimente, Organellen, die jeweils von einer Membran umgeben sind. Die Organellen sind darauf spezialisiert, verschiedene Aufgaben auszuführen. Der Zellkern enthält beispielsweise das genetische Material (DNA) und steuert somit alle Funktionen der Zelle. Die Mitochondrien sind die „Kraftwerke“, die die von der Zelle benötigte Energie produzieren, und das endoplasmatische Retikulum ist zusammen mit den Ribosomen für die Synthese von Proteinen verantwortlich.

Jede Zelle enthält ungefähr eine Milliarde Proteinmoleküle. Die verschiedenen Proteine haben eine Vielzahl wichtiger Funktionen. Einige bilden die Bausteine für den Aufbau der Zelle, während andere als Enzyme fungieren, die Tausende spezifischer chemischer Reaktionen katalysieren. Die Proteine in einer Zelle werden ständig abgebaut und resynthetisiert. Die Anzahl der Aminosäuren – die Bausteine, aus denen alle Proteine bestehen – kann in einem einzelnen Protein zwischen etwa 50 und mehreren Tausend liegen und lange, gefaltete Ketten bilden.

Wie überwinden die Proteine die Barrieren

So war es lange Zeit ein Rätsel, wie große Proteine die dicht verschlossenen, lipidhaltigen Membranen, die die Organellen umgeben, durchqueren konnten. Vor einigen Jahrzehnten war auch unbekannt, wie neu hergestellte Proteine an ihre richtigen Stellen in der Zelle geleitet wurden.

Günter Blobel würde diese beiden Rätsel lösen. Ende der 1960er Jahre trat er in das berühmte zellbiologische Labor von George Palade am Rockefeller Institute in New York ein. Hier hatten Wissenschaftler zwei Jahrzehnte lang die Struktur der Zelle und die Prinzipien für den Transport neu synthetisierter Proteine aus der Zelle untersucht. Diese Arbeit brachte George Palade 1974 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ein (den er mit den belgischen Wissenschaftlern Albert Claude und Christian de Duve teilte).

“Die Signalhypothese”

Günter Blobels Forschung basiert auf den Traditionen des Palade-Labors. Insbesondere untersuchte Blobel, wie ein neu hergestelltes Protein, das aus der Zelle transportiert werden soll, auf ein spezialisiertes intrazelluläres Membransystem, das endoplasmatische Retikulum, abzielt. 1971 formulierte er eine erste Version der „Signalhypothese“. Er postulierte, dass aus der Zelle sekretierte Proteine ein intrinsisches Signal enthalten, das sie zu und über Membranen steuert.

Basierend auf eleganten biochemischen Experimenten beschrieb Blobel 1975 die verschiedenen Schritte in diesen Prozessen. Das Signal besteht aus einem Peptid, d.h. Einer Sequenz von Aminosäuren in einer bestimmten Reihenfolge, die einen integralen Bestandteil des Proteins bilden. Er schlug auch vor, dass das Protein die Membran des endoplasmatischen Retikulums durch einen Kanal durchquert (Abb. 1). In den nächsten zwanzig Jahren haben Blobel und Mitarbeiter Schritt für Schritt die molekularen Details dieser Prozesse charakterisiert. Schließlich wurde gezeigt, dass die Signalhypothese sowohl korrekt als auch universell war, da die Prozesse in Hefe-, Pflanzen- und Tierzellen auf die gleiche Weise ablaufen.

„Adress-Tags“ zur Lokalisierung von Organellen

In Zusammenarbeit mit anderen Forschungsgruppen konnte Günter Blobel bald zeigen, dass ähnliche intrinsische Signale auf den Transport von Proteinen auch zu anderen intrazellulären Organellen abzielen. Auf der Grundlage seiner Ergebnisse formulierte Günter Blobel 1980 allgemeine Prinzipien für das Sortieren und Targeting von Proteinen auf bestimmte Zellkompartimente. Jedes Protein trägt in seiner Struktur die Informationen, die erforderlich sind, um seinen richtigen Ort in der Zelle anzugeben. Spezifische Aminosäuresequenzen (topogene Signale) bestimmen, ob ein Protein durch eine Membran in eine bestimmte Organelle gelangt, in die Membran integriert wird oder aus der Zelle exportiert wird.

Eine Reihe von Signalen, die Proteine für die verschiedenen Teile der Zelle steuern, wurde nun identifiziert (Abb. 2), was zeigt, dass die von Blobel formulierten Prinzipien korrekt sind. Diese Signale können mit Adressschildern oder Postleitzahlen verglichen werden, die sicherstellen, dass das Gepäck eines Reisenden am richtigen Ziel ankommt oder ein Brief seinen richtigen Adressaten erreicht. Diese Signalsequenzen sind in der Tat eine Kette verschiedener Aminosäuren, die entweder als kurzer „Schwanz“ an einem Ende des Proteins vorliegen oder sich manchmal innerhalb des Proteins befinden.

Bedeutung von Blobels Entdeckung

Die Entdeckung von Günter Blobel hat die moderne zellbiologische Forschung immens beeinflusst. Wenn sich eine Zelle teilt, werden große Mengen an Proteinen hergestellt und neue Organellen gebildet. Wenn die Zelle richtig funktionieren soll, müssen die Proteine auf ihre richtigen Positionen ausgerichtet werden. Blobels Forschung hat unser Verständnis der molekularen Mechanismen, die diese Prozesse steuern, erheblich verbessert. Darüber hinaus hat das Wissen über die topogenen Signale unser Verständnis vieler medizinisch wichtiger Mechanismen verbessert. Zum Beispiel verwendet unser Immunsystem topogene Signale, z.B. bei der Herstellung von Antikörpern.

Blobels Forschung hat dazu beigetragen, die molekularen Mechanismen hinter verschiedenen genetischen Krankheiten zu erklären. Wenn ein Sortiersignal in einem Protein geändert wird, kann das Protein an einer falschen Stelle in der Zelle landen. Ein Beispiel ist die Erbkrankheit primäre Hyperoxalurie, die bereits in jungen Jahren Nierensteine verursacht. Bei einigen Formen der familiären Hypercholesterinämie ist ein sehr hoher Cholesterinspiegel im Blut auf mangelnde Transportsignale zurückzuführen. Andere Erbkrankheiten, z. Mukoviszidose wird durch die Tatsache verursacht, dass Proteine nicht ihren richtigen Bestimmungsort erreichen.

Zukünftige Anwendungen

In naher Zukunft wird das gesamte menschliche Genom kartiert. Infolgedessen kann man auch die Struktur und die topogenen Signale der Proteine ableiten. Dieses Wissen wird unser Verständnis von Prozessen verbessern, die zu Krankheiten führen, und kann zur Entwicklung neuer therapeutischer Strategien verwendet werden. Bereits heute werden Arzneimittel in Form von Proteinen hergestellt, z. Insulin, Wachstumshormon, Erythropoetin und Interferon. Normalerweise werden Bakterien zur Herstellung des Arzneimittels verwendet, aber um funktionsfähig zu sein, müssen bestimmte menschliche Proteine in komplexeren Zellen wie Hefezellen synthetisiert werden. Mit Hilfe der Gentechnologie werden die Gene der gewünschten Proteine mit Sequenzen versehen, die für Transportsignale kodieren. Die Zellen mit den modifizierten Genen können dann effizient als Proteinfabriken verwendet werden.

Das zunehmende Wissen über den Prozess, durch den Proteine auf verschiedene Teile der Zelle gerichtet werden, ermöglicht es auch, neue Medikamente zu konstruieren, die auf eine bestimmte Organelle abzielen, um einen bestimmten Defekt zu korrigieren. Die Fähigkeit, Zellen auf bestimmte Weise neu zu programmieren, wird auch für die zukünftige Zell- und Gentherapie wichtig sein.

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Abb. 1. „Die Signalhypothese“. Proteine, die aus der Zelle exportiert werden sollen, werden durch Ribosomen synthetisiert, die mit dem endoplasmatischen Retikulum assoziiert sind. Die genetische Information aus der DNA wird über Messenger-RNA (mRNA) übertragen. Diese Information bestimmt, wie die Aminosäuren die Proteine aufbauen. Zunächst wird ein Signalpeptid als Teil des Proteins gebildet. Mit Hilfe von Bindungsproteinen lenkt das Signalpeptid das Ribosom zu einem Kanal im endoplasmatischen Retikulum. Die wachsende Proteinkette durchdringt den Kanal, das Signalpeptid wird gespalten und das fertige Protein wird in das Lumen des endoplasmatischen Retikulums freigesetzt. Das Protein wird anschließend aus der Zelle transportiert.
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Abb. 2. Beispiele für gerichteten Transport durch topogene Signale. Die Abbildung zeigt eine schematische Zelle mit einigen ihrer Kompartimente, den Organellen. (Ein Chloroplast ist eine Organelle, die in Pflanzenzellen, aber nicht in tierischen Zellen vorhanden ist.) Die Organellen haben besondere Funktionen und sind von Membranen umgeben. Neu synthetisierte Proteine sind mit speziellen „Adress-Tags“, Signalsequenzen oder topogenen Signalen versehen, die die Proteine an eine korrekte Stelle innerhalb der Zelle lenken und ihnen ermöglichen, die Membranen der Organellen zu durchqueren. Das Signal selbst besteht aus einer Kette von Aminosäuren. Es ist ein integraler Bestandteil des Proteins und befindet sich häufig an einem Ende des Proteins.

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